Frage: Herr Grundl, in Ihrem neuen Buch schimpfen Sie auf die Diktatur der Gutmenschen. Was sind das für Leute?

Boris Grundl: Diese Spezies kann Ihnen überall begegnen, im Privatleben und im Beruf. Es sind Leute, die es vordergründig gut meinen und die denken, dass ihre Absichten den Mitmenschen helfen. Die tatsächliche Wirkung ist aber eine andere: Gutmenschen wollen in erster Linie vor anderen gut dastehen. Sie sind harmoniesüchtig, wollen anerkannt und gebraucht werden. Unter einem Chef, der Gutmensch ist, entwickeln sich die Mitarbeiter nicht weiter. Sie erstarren in einem Abhängigkeitsverhältnis und werden unselbstständig.

Frage: Aber das kann doch keine Führungskraft wirklich wollen.

Grundl: Gutmenschen tun das meist unbewusst, es mangelt ihnen an Selbsterkenntnis. Sie sehen das eher altruistisch und denken, dass es ohne ihre Hilfe nicht läuft und konzentrieren alle Macht und Verantwortung bei sich. Dabei ist es ihre eigentliche Aufgabe die Leute zu fördern und besser zu machen. Aber für Veränderungen sind diese Vorgesetzten nicht zu haben. Sie wollen ihre Pfründe verteidigen.

Frage: Der Gutmensch kann in uns allen stecken?

Grundl: Ja. Und oft verbirgt er sich hinter einer charmanten, sehr freundlichen und sehr loyalen Maske. Er will schließlich gemocht werden. Aber die Wirkung des Gutmenschen ist destruktiv, er bremst die Mitarbeiter in ihrer Entwicklung.

Frage: Hört sich etwas nach Dr. Jekyll und Mr. Hyde an.

Grundl: Es geht mir nicht um eine moralische Bewertung, gut oder böse. Es geht darum, präzise zu erkennen, was die Menschen antreibt. Den meisten Menschen sind ihre wirklichen Motive gar nicht bewusst. Meist ist es ein Motiv, das sich nach außen gut verkaufen lässt.

Fragen Sie mal eine Führungskraft nach ihrem Antrieb. Dann hören Sie meist: "Ich will Verantwortung übernehmen!" Viel ehrlicher wäre es, wenn diese Antwort käme: "Ich will mich wichtig fühlen. Alle sollen sagen, dass ich einen tollen Job habe." So ein Motiv gibt aber keiner zu. Und, wie gesagt, es mangelt zumeist an Selbsterkenntnis.

Frage: Vorausgesetzt ich bin ein Gutmensch, weiß es aber nicht. Wie komme ich mir selbst auf die Schliche?

Grundl: Ganz einfach: Schauen Sie sich ihre Wirkung an. Das klassische Beispiel ist, dass Gutmenschen immer wahnsinnig viel zu tun haben und sagen: Alle anderen kommen mit jedem Mist zu mir. Das heißt aber doch nichts anderes, als dass sie nicht in der Lage sind ihre Mitarbeiter so zu entwickeln, dass sie selbstständig arbeiten können. Ich tue dann so, als würde ich mich vor die anderen werfen. Aber die Realität ist, dass die Leute nicht wachsen können, immer wieder auf mich zu kommen und ich immer mehr zum Flaschenhals werde. Wenn ich dagegen sehe, dass die Leute in meinem Umfeld an Wirkung zulegen, stärker und besser werden, sehe ich, dass ich kein Gutmensch, sondern ein Menschenentwickler bin.

Frage: Was macht der Menschenentwickler?

Grundl: Ihm geht es nicht um Status, er liebt stattdessen die Wirkungen und Ergebnisse. Er führt seine Mitarbeiter zu Unabhängigkeit und Stärke, gibt ihnen Verantwortung und lässt sie sich entwickeln. Gute Chefs behandeln ihre Mitarbeiter auch nicht gleich. Es muss Unterschiede geben, denn die Leute entwickeln sich auch unterschiedlich. Nur der Gutmensch schert alle über einen Kamm. Wer das Potenzial als Menschenentwickler hat, kommt in eine Abteilung, nutzt die Verantwortung und sorgt dafür, dass es auch ohne ihn läuft und die Ergebnisse besser werden. Er macht sich im besten Fall überflüssig.